Franz Anton Hoffmeister
Franz Anton Hoffmeister wurde am 27. Oktober 1754 als achtes von elf Kindern einer alteingesessenen und wohlhabenden Familie in Rottenburg getauft; sein Elternhaus war mit hoher Wahrscheinlichkeit das heutige Gebäude Bahnhofstraße 4 am Metzelplatz. Sein musikalisches Talent wurde schon früh gefördert; so erhielt er Unterricht auf der Violine bei Johann Martial Greiner, einem Mitglied der Stuttgarter Hofkapelle des Herzogs von Württemberg, und lernte das Spiel der Querflöte und Tasteninstrumente. Rottenburg gehörte damals zum habsburgischen Österreich, und so schickten die Eltern den Jungen nach Wien, wo er sich 1770 an der Universität zum Studium der Rechte immatrikulierte.
Der Neue Markt in Wien um 1800
Schon bald suchte er musikalische Betätigung an einer der Wiener Kirchen und durfte sich Kapellmeister nennen; seine erste erhaltene Komposition ist ein handschriftliches Offertorium für die Liturgie der Messe vom Februar 1779. Kurz zuvor hatte ihn der hochgebildete Graf Franz von Széchényi für seine Kapelle engagiert, mit der er nach Ungarn reiste. In Wien befreundete er sich mit Wolfgang Amadeus Mozart, der sich zum Kartenspielen mit ihm traf und 1780 ins Tagebuch seiner Schwester schrieb, er habe Quartette von Hoffmeister geprobt. Es spricht für die Vernetzung und den Erfolg des jungen Komponisten, dass er schon bald bei einem Musikverlag in Lyon die stattliche Anzahl von acht Sinfonien und zwei Sets von je sechs Kammermusikstücken veröffentlichen konnte. In Wien erschien bei Rudolph Gräffer von Januar 1784 an eine „Sammlung deutscher Lieder für das Forte-Piano, und eine Sing-Stimme“, gefolgt von Kammermusik, einer „La Chasse“ betitelten Symphonie und je einem Klavier- und Flötenkonzert, und all dies innerhalb nur eines Jahres. 1785 machte sich Hoffmeister selbstständig und gründete seinen eigenen Musikverlag, in dem er mehrere hundert eigene Werke, aber auch die anderer Komponisten, darunter Haydn und Mozart, drucken ließ. Im Januar 1790 verheiratete er sich mit Theresia Haas; den Eheleuten standen zur Gründung ihres Hausstands stattliche 3000 Gulden zur Verfügung. Hoffmeisters Kompositions- und Verlagstätigkeit war so erfolgreich, dass er ein Jahr später sein Geschäft „mit neuen Pressen und Arbeitern“ erweitern und eine Filiale in Linz eröffnen konnte. Diese Arbeitsleistung erstaunt umso mehr, als er daneben noch als ausübender Künstler auftrat. Damals waren Konzerte von zwei gleichen, virtuos gespielten Melodieinstrumenten modern, und so machte sich Hoffmeister 1798 zusammen mit dem Flötisten Franz Thurner auf eine Konzertreise, um in Prag und Leipzig zu spielen.
Die Erstausgabe der Klaviersonate op. 13, der "Pathétique", von Ludwig van Beethoven,
erschienen 1799 bei Hoffmeister in Wien und dem Bureau de Musique in Leipzig.
In Leipzig lernte Hoffmeister den Organisten Ambrosius Kühnel (1771 ‒ 1813) kennen und schätzen. Die beiden eröffneten einen „Bureau de Musique“ genannten Notenverlag, in dem Musik berühmter zeitgenössischer Komponisten wie Haydn, Mozart und Beethoven erschien, aber auch – ein riskantes Unternehmen – Werke des damals fast in Vergessenheit geratenen Johann Sebastian Bach.
Daneben führte Hoffmeister seinen Wiener Verlag, u.a. mit der Hilfe seiner Frau, weiter. 1804 beschlossen die Geschäftspartner, sich in Freundschaft zu trennen, und Kühnel und später seine Ehefrau führten das Leipziger Unternehmen weiter, bis es 1814 von Carl Friedrich Peters übernommen wurde. Somit war das Bureau de Musique das Stammhaus des heute noch existierenden, internationalen Musikverlages Peters. Hoffmeister zog sich auch in Wien nach und nach aus der Verlagsarbeit zurück und verkaufte seine Restbestände an den Verlag „Chemische Druckerei“, der Noten in der 1796 erfundenen Drucktechnik der Lithographie druckte. Er verstarb im Alter von 57 Jahren am 9. Februar 1812. Seine Witwe, kinderlos, überlebte ihn um 19 Jahre.
Hoffmeisters Sterbehaus in Wien,
Am Haarmarkt 778
auf dem Stadtplan von Max von Grimm, 1805.
Die Gebäudestruktur wurde später verändert,
heute steht an dieser Stelle das Haus Rotenturmstraße 14.
Die Musik
Hoffmeister war ein außerordentlich produktiver Komponist, dessen Werk kaum zu überschauen ist. Die meisten seiner Stücke gerieten wie ihr Schöpfer bald nach seinem Tod in Vergessenheit und werden erst heute allmählich wieder entdeckt. Dafür, dass mehrere Anläufe zu einem Werkverzeichnis bisher im Sand verlaufen sind, gibt es mehrere Gründe: Der Komponist versah seine Werke zwar meist mit Opus-Zahlen, führte jedoch mehrere Reihen, getrennt nach Besetzungen; viele seiner Kompositionen, die er in anderen Ländern drucken ließ, wurden von den jeweiligen Verlegern nach eigenem Gutdünken mit Opuszahlen versehen; und schließlich bearbeitete Hoffmeister nicht selten seine eigenen Stücke, in dem er z.B. einer bereits erschienenen Klaviersonate eine Violinstimme hinzufügte und das Ganze neu herausgab.
Hoffmeisters Leidenschaft galt zeitlebens der Querflöte. In einem thematischen Katalog seiner Kompositionen für Flöte, den er im Jahr 1800 herausgab, finden sich rund 300 Werke gelistet, darunter das Quartett für Flöten und Streicher d-Moll op.16/4 https://www.youtube.com/watch?v=W7ZH_6jomWQ und 24 (!) Konzerte für Flöte mit Orchester. Es lohnt sich auch, in das kaum gespielte 16. Konzert C-Dur hinein zu hören: https://www.youtube.com/watch?v=plfEks61jRQ .
Eines seiner bekanntesten Werke ist das Konzert für Viola und Orchester, ein Muss für alle, die sich mit diesem Instrument in einem Orchester bewerben. Es steht in Hoffmeisters Lieblingstonart D-Dur und ist hier mit der 17-jährigen Solistin Sara Ferrández zu hören: https://www.youtube.com/watch?v=yUF1Xw74Ews
Hoffmeister spielte offensichtlich sehr gut Klavier; herausragende Beispiele seiner Ausdrucksfähigkeit auf diesem Instrument sind die Klaviersonate D-Dur von 1797, eingespielt von Biliana Tzinlikova https://www.youtube.com/watch?v=bwz_xV9_uc8, und das Konzert op. 24, hier mit Wilhelm Neuhaus am Klavier: https://www.youtube.com/watch?v=DEKB56q9SPY
Dass Mozart seinen Freund Hoffmeister auch als Komponist geschätzt und eines seiner eigenen Streichquartette nach ihm benannt hat, wird verständlich, wenn man sich den Kopfsatz von Hoffmeisters Quartett F-Dur op. 14 anhört: https://www.youtube.com/watch?v=FhGabuMwqQI
Alles in allem lässt sich das vernichtende Urteil Wilhelm H. Riehls (1853), das Hoffmeisters Bild bis weit ins 20. Jahrhundert hinein geprägt hat ‒ seine Musik sei durch die Bank oberflächlich und gedankenarm ‒, heute nicht mehr aufrecht erhalten. Als Verleger und Komponist war Hoffmeister wirtschaftlich abhängig von seinen Verkaufszahlen und gehalten, dem Geschmack seiner Zeit entgegen zu kommen. Auf diesem Weg hat er uns neben vielem durchschnittlichen auch eine Anzahl von Meisterwerken hinterlassen, die auch heute noch berühren und den Vergleich mit den Großen seiner Zeit nicht scheuen müssen. Es ist spannend zu erleben, wie seit einigen Jahren enthusiastische, vorzüglich vorbereitete InterpretInnen und Ensembles Hoffmeisters Meisterstücke wieder entdecken, sie auf CD einspielen und ihnen den gebührenden Platz in den Konzertprogrammen verschaffen.
Pieter Minden-Bacher